6.11.2015, 14.00 Uhr im Brentanopark/Inselgässchen Redebeitrag Professor Dr. Felix Semmelroth, Kulturdezernent der Stadt Frankfurt am Main Anrede, ich freue mich heute hier sein zu können zur Einweihung einer Gedenkstätte, zu der die erste Idee bereits vor über zehn Jahren entstand. Dass die frühere Rödelheimer Synagoge in ihren Umrissen wieder sichtbar werden konnte, ist vor allem das Verdienst der Bürgerinnen und Bürger, der Initiativen und Vereine, namentlich des sehr rührigen Heimat- und Geschichtsvereins Rödelheim, die nicht nachgelassen haben in ihrem Bemühen, Rödelheim einen Teil seiner Geschichte wiederzugeben und damit zugleich den Bogen zur Gegenwart zu schlagen. Wie sehr dies gelungen ist, lässt sich auf den ersten Blick erkennen. Bereits die sehr durchdachten Pläne haben das gezeigt. Denn hier ist nicht nur ein Ort der Erinnerung entstanden, sondern auch ein Ort der Kommunikation. Nur im Austausch jeder neuen Generation über die Vergangenheit, im Weiter -Nachforschen, im Immer-wieder-neu-Erzählen ist es möglich, zu Erkenntnissen für das heutige Zusammenleben zu gelangen. Solche Prozesse brauchen nicht nur Zeit, sondern auch Raum. Orte werden gebraucht, die solche Denkanstöße bewirken oder zumindest begünstigen. Wir sind heute an einem solchen Ort. Grundriss bedeutet auch Leitfaden oder kurzgefasstes Lehrbuch. Der sichtbar gemachte Grundriss der ehemaligen Synagoge ist in gewisser Weise ein solches. Denn hier wird auf kleinstem Raum angedeutet, was es an jüdischem Leben in Rödelheim einmal gab, wie es für immer zerstört wurde und wie mit dieser Erinnerung umgegangen wurde und wird. Zentral in der Mitte befindet sich das schon 1979 auf Initiative von Bürgern und der beiden Kirchengemeinden errichtete Mahnmal zur Erinnerung an die zerstörte Synagoge und die verschleppten und getöteten Jüdinnen und Juden. Es zeigt noch die Spuren einer Schändung, die es kurz nach seiner Einweihung erfuhr. Sie sind inzwischen Teil der Erinnerung und damit auch stetiger Anstoß zum Nachdenken geworden. Der Stein an der Ostwand der ehemaligen Synagoge erinnert an den Thora-Schrein mit dem Pentateuch, den fünf Büchern Moses, aus denen in jüdischen Gottesdienst vorgelesen wird. Die Stele mit den Namen der bis heute bekannten von den Nationalsozialisten ermordeten oder in den Tod getriebenen Juden steht halb innerhalb und halb außerhalb des Synagogenumrisses. Ein Hinweis darauf, dass es in den Augen der Nationalsozialisten genügte jüdischer Herkunft zu sein, um todeswürdig zu sein, unabhängig davon ob man gläubiger praktizierender Jude war. Zwischen diesen Elementen ist Raum und vor allem sind hier Sitzbänke, auf denen man sich niederlassen, den Ort und seine Elemente auf sich wirken lassen und sich informieren kann über das, was war. Und nicht zuletzt ist es möglich, hier mit anderen ins Gespräch zu kommen. Im Sommer kann man sich hier auch sehr gut eine Lesung, eine Geschichtsstunde oder eine andere Veranstaltung vorstellen, bei der Menschen zusammenkommen, um etwas zu erfahren, vielleicht etwas zu lernen. Und damit sind wir bei einer wichtigen Funktion, die eine Synagoge auch hat. Synagoge aus dem Griechischen bedeutet Versammlung. Eine Synagoge ist im Gegensatz zu einer katholischen Kirche kein geweihter Ort, sie dient nicht nur dem Gottesdienst, sondern auch Gemeindeveranstaltungen, der Erwachsenenbildung und der Bereitstellung von Hebräischschulen für Kinder. Man denke an den jiddischen Begriff Schul. Daher kann fast jeder Ort als Synagoge dienen, wenn er gewissen Anforderungen gerecht wird. Eine Synagoge muss nicht einmal unbedingt ein umschlossener Raum sein. In diesem Sinne - als einen Lern- und Begegnungsort - hat Rödelheim seine Synagoge nun wieder zurück. Bei diesem Projekt sind nicht nur die Umrisse der früheren Rödelheimer Synagoge wieder für die Mit- und Nachwelt sichtbar geworden und damit die Erinnerung an vergangenes jüdisches Leben und seine Auslöschung durch die Nationalsozialisten, sondern auch was Bürgersinn und Gestaltungswille dauerhaft für die Gemeinschaft bewirken können. Dafür möchte ich mich, wie schon mein Vorredner, sehr herzlich bei allen Beteiligten - und das waren nicht wenige - bedanken. |